LESERFRAGEN RATGEBERAKTION „Pflegen – nein danke!\" am 20.09.2012

Die meistgestellten Leserfragen am Expertentelefon „Pflegen – nein danke! Ein Pflegefall kann für jede Familie zur Zerreißprobe werden“ am 20.09.2012

 

 

 

 

 

 

 

Bei meinem Vater wurde Demenz diagnostiziert und er lebt jetzt vorübergehend bei uns. Wie finde ich ein gutes und passendes Pflegeheim für ihn?

  • Ina Warnke, Pflegeberaterin bei der COMPASS Pflegeberatung in München: Wir haben in Befragungen herausgefunden, dass die Nähe zum eigenen Wohnort, zum Wohnort der Angehörigen sowie die Qualifizierung des Pflegepersonals den Menschen am wichtigsten sind. Entscheidend ist jedoch auch der persönliche Eindruck vor Ort. Deshalb raten wir stets dazu, verschiedene Einrichtungen anzuschauen und die jeweiligen Angebote zu vergleichen. Eine gute Hilfestellung bietet www.weisse-liste.de mit einer Checkliste für die Pflegeheimauswahl.

Ich möchte in eine Senioren-Wohngemeinschaft ziehen. Dürfen wir die Pflege selbst organisieren, wenn einer von uns zum Pflegefall wird?

Ina Warnke: Das ist möglich. Es macht keinen Unterschied, ob Sie alleine, mit Ihrem Partner oder in einer Wohngemeinschaft leben. Sie können in der Wohngemeinschaft im Pflegefall sogar die finanziellen Leistungen, die Sie aus der Pflegepflichtversicherung erhalten, poolen, so der Fachbegriff. Dies bedeutet, dass die Versorgung gemeinsam bestritten werden kann.

Wir möchten gern zu unseren Kindern ziehen und sind dort auch willkommen. Was können wir tun, damit wir ihnen nicht allzu sehr zur Last fallen?

  • Ina Warnke: Sie geben mit dem Umzug zu den Kindern Ihr gewohntes soziales Umfeld, Freunde, Nachbarn und Bekannte auf. Deshalb ist es sehr wichtig, am neuen Wohnort ein soziales Umfeld zusätzlich zur Familie aufzubauen. Sie können sich hier nach Freizeitangeboten für Senioren erkundigen. Fast jede Stadt verfügt über sogenannte Seniorenratgeber, die einen ersten Überblick sowie Kontaktadressen bieten.

Macht es Sinn, eine private Pflegeversicherung abzuschließen, oder reicht die gesetzliche Pflichtversicherung?

  • Peter Straßer, Experte für Leistungen der privaten Pflegeversicherung bei der Münchener Verein Versicherungsgruppe: Wir alle leben länger. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Die gesetzlichen Pflegeleistungen reichen bei Weitem nicht aus, um die Kosten für die Pflege abzudecken. Hier besteht eine große Versorgungslücke, die der Pflegebedürftige selbst überbrücken muss. Jeder sollte daher für den eventuellen Pflegefall privat vorsorgen. Männer können übrigens noch bis zum 21. Dezember beim Abschluss einer Pflegezusatzversicherung viel Geld sparen. Denn danach gilt die Unisex-Regelung der Europäischen Union, die eine Anhebung der Versicherungsbeiträge für Männer mit sich bringt. Wie teuer das werden kann und weitere Infos kann man unter www.deutsche-privat-pflege.de nachlesen.

Wie funktioniert der Pflege-Bahr, von dem man jetzt überall liest?

  • Peter Straßer: Die politischen Informationen zum Pflege-Bahr – der neuen staatlichen Förderung der privaten Pflegevorsorge ab dem 1. Januar 2013 – sind bisher sehr knapp. Folgendes gilt derzeit als gesichert: Es soll monatlich einen staatlichen Zuschuss von fünf Euro für alle geben, die zusätzlich zur gesetzlichen Versicherung privat für ihre Pflege vorsorgen – und zwar unabhängig vom Einkommen. Sowohl gesetzlich als auch privat Versicherte sollen davon ohne Altersbeschränkung und ohne Gesundheitsprüfung profitieren können. Außerdem soll es einen Kontrahierungszwang für Versicherer geben. Das heißt, dass die Unternehmen diese Verträge mit jedem Kunden abschließen müssen. Zudem ist eine fünfjährige Wartezeit geplant, Leistungen werden erst danach erbracht.

Übernehmen private Pflegeversicherungen auch die Kosten für den Umbau meines Hauses mit dem Ziel der Barrierefreiheit?

  • Peter Straßer: Die gesetzliche Pflegepflichtversicherung leistet laut Sozialgesetzbuch XI im Rahmen der Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes je Maßnahme einen Höchsterstattungsbetrag in Höhe von maximal 2.557 Euro. Der Zuschuss reicht selten für einen Treppenlifter oder einen behindertengerechten Badumbau aus, sodass eine zusätzliche private Pflegeversicherung sehr sinnvoll ist. Im Rahmen einer Pflegetagegeldversicherung gibt es zum Beispiel bei der Münchener Verein Versicherungsgruppe die Möglichkeit, den Tarifbaustein „Einmalleistung“ zu vereinbaren. Diese Einmalleistung kann dann die entstehende finanzielle Belastung deutlich reduzieren oder sogar ganz aufheben.

Die Demenz meiner Mutter macht mir Angst, denn es kann ja so leicht etwas passieren. Welche Freiräume sollte ich ihr lassen?

  • Dr. phil. Britta Wiegele, Psychotherapeutin, Dipl.-Psychogerontologin, Memory Klinik Neuperlach und Hippocampus Gerontologische Praxis München. Schwerpunkte: Diagnostik und Therapie von Gedächtnisbeeinträchtigungen und Demenzerkrankungen, Beratung pflegender Angehöriger und Fortbildungsangebote für den Umgang mit Menschen mit Demenzerkrankungen: Das hängt von der Phase der Erkrankung ab. Bei einer beginnenden Demenz ist es wichtig, genau zu beobachten, ob Ihre Mutter sich regelmäßig überschätzt oder sich eher vorsichtig verhält. Wenn sie sich nicht zu viel zutraut, so ist es richtig, sie nach wie vor alle Dinge tun zu lassen, die sie sich vornimmt. Also Wege in der vertrauten Umgebung, Einkäufe, Besuche bei guten Freunden in der Nähe und Haushaltsaktivitäten. Sehr vertraute Betätigung im Haus oder Garten können aber auch dann noch selbstständig ausgeführt werden. Sie können Ihre Mutter, sollte sie darauf nicht ängstlich reagieren, durchaus noch für kurze Zeit alleine zuhause lassen.

Die Pflege meiner Schwiegermutter bei uns zuhause ist für mich eine echte emotionale Herausforderung. Wir waren nie sehr innig und ich habe das Gefühl, ihr nichts recht machen zu können. Das macht mich manchmal so hilflos und auch wütend, weil ich sie für undankbar halte. Wie gehe ich damit bloß um?

  • Dr. phil. Britta Wiegele: In diesem Fall ist die ernsthafte Überlegung anzustellen, ob die Pflege weiter zuhause erfolgen soll oder kann. Gibt es keine Alternative, ist manchmal ein klärendes Gespräch hilfreich. Sie könnten Ihrer Schwiegermutter sagen, dass Sie Verständnis dafür haben und dass die Situation auch für Sie schwierig ist. Formulieren Sie aber auch Ihre Bedürfnisse in der aktuellen Situation. Sagen Sie offen, dass Sie das Gefühl haben, ihr auch mit viel Mühe nichts recht machen zu können. Fragen Sie Ihre Schwiegermutter, was sie selbst zur Entspannung der häuslichen Situation beitragen würde. Falls ein solches Gespräch nicht möglich ist, zögern Sie nicht, sich professionelle Unterstützung, zum Beispiel in Form einer Psychotherapie oder im Rahmen einer Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige, zu suchen.

Seit einem Jahr teilen sich mein Mann und ich die Pflege meiner Mutter so gut es geht auf. Unsere beiden Söhne (13 und 15) reden kaum noch mit mir, ich habe Angst, sie völlig zu verlieren, aber ich habe auch meistens keine Geduld und Energie mehr. Was kann ich tun?

  • Dr. phil. Britta Wiegele: Holen Sie sich ganz dringend Hilfe. Es ist absolut dankenswert, dass Ihr Mann und Sie sich so sehr für Ihre Mutter engagieren, Sie sind dadurch aber in eine unhaltbare Situation geraten. Als Mutter sind Sie in erster Linie für Ihre eigene Familie und für Ihre Kinder verantwortlich. Bitte sprechen Sie mit Ihren Söhnen darüber, dass Sie bemerken, wie sehr diese unter der aktuellen Situation leiden, und sagen Sie ihnen, dass Sie die Situation verändern möchten und werden. Setzen Sie sich mit Ihren Kindern und Ihrem Mann zusammen und erarbeiten Sie gemeinsam einen realistischen Zeitplan für die Veränderung. Parallel dazu suchen Sie bitte eine Beratungsstelle auf und informieren sich über Entlastungsmöglichkeiten.

Welche Leistungen des Pflegedienstes werden von der Pflegepflichtversicherung übernommen?

  • Petra Günthner, Inhaberin des ambulanten Pflegedienst „Pflege Aktiv“ aus München: Es werden von den Pflegekassen grundsätzlich alle Leistungen nach § 89, Sozialgesetzbuch XI bis zur genehmigten Pflegestufe bezahlt. Zu diesen Leistungen zählen die Körperpflege, Leistungen im Bereich der Ernährung und der Mobilität sowie die hauswirtschaftliche Versorgung. In Pflegestufe I werden bis zu 450 Euro gezahlt, in Pflegestufe II bis zu 1.100 Euro und in Pflegestufe III bis zu 1.550 Euro. In Härtefällen können bis zu 1.918 Euro übernommen werden. Was über diese Grenzen hinausgeht, bekommt der Pflegebedürftige privat in Rechnung gestellt.

Kann ich den Pflegedienst, der meine Schwester versorgt, problemlos wechseln?

  • Petra Günthner: Natürlich kann Ihre Schwester den Pflegedienst wechseln. Es muss allerdings auf die Kündigungszeit geachtet werden, die im Pflegevertrag vereinbart wurde. Bei den meisten Verträgen sind es zwei Wochen. Die Kündigung sollte aber auch ohne Angabe von Gründen problemlos ablaufen.

Wie finde ich einen guten Pflegedienst, der nicht allzu teuer ist?

  • Petra Günthner: Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse an. Die schickt Ihnen eine Liste der Pflegedienste in Ihrem Umkreis zu. Suchen Sie sich davon einige aus und rufen Sie diese an. Sie werden schon beim Anrufen merken: Pflegedienst ist nicht gleich Pflegedienst. Vereinbaren Sie Termine zum Erstgespräch. Der Pflegedienst wird einen Kostenvoranschlag erstellen, der auf die Wünsche und Bedürfnisse des Klienten abgestimmt ist. Schließlich haben Sie mehrere Kostenvoranschläge, unter denen Sie den passenden auswählen können.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen